300 Ideen für unser Gesundheitssystem

Die Initiative „Neustart! Reformwerkstatt für unser Gesundheitswesen“ der Robert Bosch Stiftung hat in unterschiedlichen Formaten die Diskussion über unser Gesundheitssystem ermöglicht. Im Mittelpunkt standen dabei umfangreiche Bürgerdialoge in unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Deren Ergebnisse sind in zwei Bürgerreports (2019 und 2020) festgehalten. Ergänzend dazu sollten alle, die sich nicht direkt in den Veranstaltungen einbringen konnten, die Chance erhalten, sich zur Zukunft unseres Gesundheitswesen äußern zu können. Die Webseite von Neustart! lud daher unter „Ihre Ideen!“ ein, eigene Hinweise und Vorschläge in den rund zweieinhalbjährigen Prozess einzubringen. Die Robert Bosch Stiftung sandte damit ganz bewusst ein Signal: Im Kern von Neustart! stehen Beteiligung und Dialog! Neben den Bürgerdialogen, an denen rund 700 zufällig ausgewählte Menschen in Präsenz oder online teilnahmen, fließen auch „Ihre Ideen“ in die Gesamtbilanz mit ein. Denn die Menschen und ihre Vorstellungen von unserer künftigen Gesundheitsversorgung müssen im Zentrum der Reformbemühungen stehen.

Beachtliche Resonanz

Die Resonanz auf das Online-Angebot war beachtlich. Sie bringt viel Kompetenz zum Vorschein und verstärkt viele Erkenntnisse und Empfehlungen aus den Bürgerdialogen. Die Robert Bosch Stiftung dankt allen Einsendenden für ihre Impulse! Fast 300 Reformideen wurden online festgehalten. Die Bandbreite ist enorm; sie reicht von sehr konkreten Einzelvorschlägen bis hin zu den großen Themen wie Prävention, das Zwei-Säulen-System der Krankenversicherung oder eine patient:innenorientierte, „kommerzfreie“ Gesundheitsversorgung.

Mensch vor Gewinn

„Das Gesundheitswesen ist kein Investitionsmarkt“, heißt es in einem Beitrag, dessen Zielrichtung etliche Einträge ebenfalls nennen. Ob „mit Pflege und Medizin keine Profite machen“ oder „Daseinsvorsorge gehört in die öffentliche Hand“ – die Forderung, dass die Gesundheitsversorgung sich nicht am wirtschaftlichen Profit, sondern am Bedarf der Menschen orientieren müsse, ist sehr häufig vertreten. Zahlreiche Kommentare beschäftigen sich mit dem Zwei-Säulen-System der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung. Es wird mehrfach auf die Notwendigkeit einer „solidarischen“ Krankenversicherung verwiesen, die alle Bürger:innen, unabhängig von Einkommen und Beruf, einschließen solle. 

Prävention für alle

Ebenfalls häufig genannte Themen sind Prävention und Gesundheitsförderung. Gesundheitskompetenz und Grundlagenkenntnisse sollten bereits im Kindergarten vermittelt und in die Lehrpläne der Grund- und weiterführenden Schulen aufgenommen werden. Insbesondere junge Familien sowie sozial schwächer gestellte Personen müssten besser erreicht werden und regelmäßige Check-ups selbstverständlich sein. Dies könne besonders gut in Primärversorgungszentren gelingen, erläutern einige Beiträge. Gleichzeitig wird öfter betont, dass es ein Mehr an Partizipation von Patient:innen und Selbstverantwortung brauche und die Menschen aktiv und eigenverantwortlich im Gesundheitswesen unterwegs sein müssten. Dabei sollten sie ganzheitlich, also schul- und komplementärmedizinisch versorgt werden.

Gesundheitsberufe stärken

Viele Beiträge beschäftigen sich mit den Berufsgruppen im Gesundheitssystem. Es sei an der Zeit, sich von „der ärztlichen Hoheit“ zu lösen und den Pflegefachpersonen und Therapeut:innen mehr Eigenständigkeit und Verantwortung zu übertragen. Gleichzeitig sollten akademische Studiengänge und eine hochschulische Qualifizierung für Pflege- und Therapieberufe (inklusive der Ernährungstherapie) selbstverständlich werden. Damit verbunden wird die klare Forderung nach einer besseren Bezahlung, vor allem in der Pflege und dies möglichst mit einem einheitlichen Tarifvertrag aller Sektoren (Krankenhaus, Reha, stationäre Langzeit- und ambulante Pflege). Außerdem wurde betont, dass es vor allem Fachpersonal brauche, nicht weitere Hilfskräfte. Für alle Berufsgruppen in Medizin, Pflege, Therapie, aber auch bei Krankenkassen, Medizinischem Dienst, Kassenärztlichen Vereinigungen etc. wurde mehrfach angemahnt, den bürokratischen Aufwand deutlich zu reduzieren. Er binde Ressourcen, die für die Versorgung der Menschen fehlten. Grundsätzlicher wird der Vorschlag, alle Strukturen und Entscheidungsgremien im Gesundheitssystem dahingehend zu überprüfen, ob sie überhaupt noch zeitgemäß sind.

Weitere Impulse

In vielen Beiträgen wurden konkrete Einzelmaßnahmen genannt: 

  • Verpflichtende, öffentlich einsehbare, zentrale Meldestelle für alle Behandlungsfehler in Medizin und Pflege einrichten
  • Klinische Umweltmedizin anerkennen und ausbauen
  • Klinische Studien von Aufsichtsbehörden statt Arzneimittelherstellern durchführen
  • Ärzt:innen durch Künstliche Intelligenz unterstützen, z.B. bei seltenen Erkrankungen
  • Prüfungsabnahme in allen Gesundheitsberufen nur durch externe Personen
  • Erstattung Pflegeleistungen zuhause und in stationären Einrichtungen gleichstellen
  • Versorgung der Menschen mit geistiger Behinderung verbessern

Unter „Ihre Ideen“ gingen zahlreiche Anregungen ein. An vielen Stellen bekräftigen sie die Aussagen aus den Bürgerdialogen und damit auch das Anliegen auf eine zukunftsfähige Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems.