„Die Forschung ist am durchschnittlichen Mann ausgerichtet“

Interview mit Madeleine Weis

Robert Bosch Stiftung | März 2021
Madeleine Weis
Foto: Madeleine Weis

Madeleine Weis

Alter: 29 Jahre

„Neustart!“: Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie mit dem deutschen Gesundheitswesen gemacht?

Madeleine Weis: Ich wohne seit Längerem in der Großstadt und habe in dringenden Fällen nie Probleme gehabt, eine Ärztin oder einen Arzt zu finden. Allerdings gab es einige Situationen, in denen ich das Gefühl hatte, bevormundet zu werden. Am Ende geht es um meinen Körper und ich muss entscheiden.

„Neustart!“: Was hat Sie motiviert, bei der Reformwerkstatt mitzumachen?

Madeleine Weis: Ich war gespannt darauf, auf diese Weise an unserer Demokratie mitzuwirken. Ich habe mich schon auf anderen Ebenen engagiert, aber es klang für mich faszinierend, gemeinsam mit anderen Bürgerinnen und Bürgern Ideen zu entwickeln, unser Gesundheitssystem besser zu machen.

„Neustart!“: Wie haben Sie die Zusammenarbeit erlebt?

Madeleine Weis: Unsere Diskussionen waren sehr produktiv und lösungsorientiert. Auch die Reaktionen der Expertinnen und Experten habe ich als sehr wertschätzend empfunden. Allerdings haben die sich manchmal etwas in Details verloren. Aber Gesundheit ist ja auch ein riesiges Thema mit vielen Aspekten.

„Neustart!“: Was muss sich aus Ihrer Sicht im deutschen Gesundheitssystem ändern?

Madeleine Weis: Ich habe das Gefühl, dass es sehr stark auf das Individuelle ausgerichtet ist und dabei oft das soziale Zusammenspiel aus den Augen verliert. Daher finde ich die Idee von Primärversorgungszentren gut, weil da verschiedene Gesundheitsberufe mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen zusammenarbeiten und sich austauschen können. Da gehört für mich auch noch soziale Arbeit dazu. Ich würde mir wünschen, dass solche Zentren und andere Ideen über den Projektstatus hinaus gehen und flächendeckend für alle verfügbar sind.

„Neustart!“: Welche Reformvorschläge finden Sie besonders wichtig?

Madeleine Weis: Krankenhäuser sollten nicht mehr gewinnorientiert arbeiten. Das war, glaube ich, allen Teilnehmenden besonders wichtig. Denn es führt zu katastrophalen Arbeitsbedingungen und die Versorgung leidet. Meiner Meinung nach müssen wir auch die medizinische Forschung anders organisieren, die bis heute am durchschnittlichen Mann ausgerichtet ist. Solange die Forschung überwiegend durch die Industrie finanziert wird, werden viele Bereiche, die nicht profitabel sind, vernachlässigt. Die medizinische Forschung muss stärker an den Universitäten stattfinden, dort mit Geistes- und Sozialwissenschaften zusammenarbeiten und vom Staat finanziert werden.

„Neustart!“: Was erhoffen Sie sich von den erarbeiteten Reformvorschlägen?

Madeleine Weis: Dass sie einen großen öffentlichen Diskurs auslösen. Wenn viele Leute darüber diskutieren und die Ideen unterstützen, entsteht vielleicht genug öffentlicher Druck, um die Politik zum Handeln zu bewegen.