„Heilberufe sollten frei von Kommerz sein“

Interview mit Dietmar Blohm

Robert Bosch Stiftung | März 2021
Blohm
Foto: Dietmar Blohm

Dietmar Blohm

Alter: 77

Beruf: emeritierter Professor für Biotechnologie und Molekulare Genetik

„Neustart!“: Welche persönlichen Erlebnisse haben Sie mit dem deutschen Gesundheitswesen gemacht?

Dietmar Blohm: Ich persönlich habe zwei deutsche Gesundheitssysteme kennengelernt. Das der DDR litt vor allem unter einem Mangel an finanziellen Mitteln. Aber es erscheint mir bis heute eigentlich als das Gerechtere – sowohl für die Patienten als auch für die Ärzteschaft. Für mich ist es ein unauflösbarer Widerspruch, Heilberufe im Rahmen gewinnorientierter Unternehmen auszuüben. Daran krankt unser ganzes Gesundheitssystem.

„Neustart!“: Was hat Sie motiviert, bei der Reformwerkstatt mitzumachen?

Dietmar Blohm: In erster Linie hat mich interessiert, ob diese Übung einer unmittelbaren Online-Demokratie funktionieren kann. Ich war neugierig auf die Menschen, die sich für diese Sache engagieren. Ein bisschen war ich auch beruflich interessiert, denn ich habe lange in der Pharmaforschung gearbeitet.

„Neustart!“: Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit anderen Bürgerinnen und Bürgern erlebt?

Dietmar Blohm: Ich war überrascht und fasziniert, wie gut die gemeinsame Arbeit funktioniert hat. Wir waren ja eine zufällig zusammengewürfelte Gruppe sehr unterschiedlicher Menschen, die kurzfristig und auch noch unter Zeitdruck zusammengekommen sind. Wir haben derart konzentriert, effizient und auch rücksichtsvoll zusammengearbeitet, wie ich das nicht für möglich gehalten hätte. Selbst das gemeinsame Formulieren von Texten ist gelungen. Aufgrund der Umstände musste all das ja auch noch online durchgeführt werden. Trotzdem hat dieses Bürgerforum hervorragend funktioniert –  nicht zuletzt dank der professionellen Moderation.

„Neustart!“: Was ist für Sie das wichtigste Ergebnis Ihrer Diskussionen bei der Initiative „Neustart!“?

Dietmar Blohm: Das wichtigste Ergebnis ist für mich, dass diese unmittelbare Online-Demokratie, die wir bei dem Projekt praktiziert haben, funktioniert. Die einzelnen Reformvorschläge sind ja eigentlich nur ein erster Schritt zur Veränderung. Eine Reihenfolge oder Gewichtung fehlt mir dabei auch. Das hätte aus meiner Sicht ein weiterer Schwerpunkt sein können, eine solche Gewichtung auszuarbeiten.

„Neustart!“: Welchen Reformvorschlag aus dem Bürgerdialog 2020 würden Sie als Erstes umsetzen?

Dietmar Blohm: Ich will keinen einzelnen Punkt herausgreifen, hier geht es ja nicht um meine persönliche Meinung. Aus meiner Sicht ist für die meisten Bürgerinnen und Bürger die Befreiung der Heilberufe und des gesamten Gesundheitswesens vom Kommerz das wichtigste Ziel der Reformen.