Neue Allianz für die Gesundheit

Beim Projekt „Gesundheit von morgen“ sucht die Robert Bosch Stiftung mit dem World Health Summit und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gemeinsam nach neuen Perspektiven

Robert Bosch Stiftung | Oktober 2020

Mit einer neuen Allianz verstärkt die Robert Bosch Stiftung ihre Initiative „Neustart!“  und ihr Engagement für das Gesundheitswesen. Gemeinsam mit dem World Health Summit und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) startet sie das Projekt „Gesundheit von morgen“. Voraussetzung für ein zeitgemäßes Gesundheitswesen sei ein kontinuierlicher Dialog zwischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, betonte Prof. Joachim Rogall, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung, bei der Vorstellung des Projekts am 16. September in der Berliner Repräsentanz der Stiftung. Diesen Dialog wolle das Projekt anregen. „Die Coronavirus-Pandemie hat uns allen gezeigt, wie wichtig ein funktionierendes Gesundheitswesen ist. Uns allen ist klar, dass eine Neugestaltung unseres Gesundheitssystems eine Mammutaufgabe ist. Wir sind bereit, gemeinsam mit unseren Partnern dafür Impulse zu geben und Initiativen zu starten.“

„Medizin soll nicht nur therapieren, sondern auch Gesundheit bewahren“

Prof. Detlev Ganten, Präsident des World Health Summit, ergänzte: „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern – das ist das dritte Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen. Es liegt auf der Hand, dass wir zur Verwirklichung dieses Ziels über die herkömmlichen Grenzen der medizinischen Versorgung hinausdenken müssen.“ Der World Health Summit betrachte Gesundheit interdisziplinär, wissenschaftsbasiert, sektorübergreifend und mit einem international kooperativen Ansatz. „Unsere Erfahrungen bringen wir gerne in das Projekt 'Gesundheit von morgen' ein“, sagte Ganten. Vorgesehen sind unter anderem gemeinsame Workshops beim World Health Summit, ein Symposium im Rahmen der Gesundheitsstadt Berlin sowie eine internationale Vergleichsstudie zur Gesundheitsversorgung in verschiedenen Ländern. 

Die BBAW unterstützt diese Zusammenarbeit durch ihre interdisziplinär ausgerichtete wissenschaftliche Perspektive. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe (IAG) „Zukunft der Medizin: Gesundheit für alle“ der BBAW will dazu beitragen, Forschung und Strukturen im Bereich Public Health und Global Health im Hinblick auf die großen globalen Herausforderungen weiterzuentwickeln. „Unter anderem geht es darum, wie wir es schaffen können, einen anderen, gesünderen Lebensstil zu fördern“, sagte Christoph Markschies, der designierte Präsident der BBAW. „Wie schwierig das sein kann, zeigt gerade, wie schwer sich viele von uns damit tun, in Zeiten der Pandemie eine Maske zu tragen.“ Eine andere wichtige Herausforderung sei es, die Gesundheitsversorgung stärker präventiv auszurichten. „Wir wollen nicht nur erreichen, dass Krankheiten besser diagnostiziert und therapiert werden können, sondern dass die Medizin auch dem Ziel näherkommt, Gesundheit zu bewahren.“

„Die Menschen sind offen für neue Versorgungsmodelle“ 

Bessere Prävention – das sei auch einer der wichtigsten Wünsche vieler Bürger:innen an die Gesundheitsversorgung der Zukunft, berichtete Dr. Bernadette Klapper, Bereichsleiterin Gesundheit bei der Robert Bosch Stiftung. Für die Initiative „Neustart! Reformwerkstatt für unser Gesundheitswesen“ hat die Stiftung nicht nur führende Gesundheitsexpert:innen angesprochen, in Bürgerdialogen lässt sie auch die betroffenen Menschen zu Wort kommen. „Neben einem höheren Stellenwert für die Prävention wünschen sich die Bürgerinnen und Bürger vor allem, dass sich die Fachkräfte im Gesundheitswesen mehr Zeit für Patientinnen und Patienten nehmen können.“ Die Tür für mutige Reformen sei offen, sagte Klapper. „Die Menschen sind aufgeschlossen für Digitalisierung und neue Versorgungsmodelle. Wichtig ist ihnen aber auch die Gemeinwohlorientierung und solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens.“  

Als Vertreter der Berliner Politik räumte Martin Matz – Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung – ein, dass die Corona-Pandemie Schwachstellen in der Gesundheitsversorgung offenbart habe. „Wenn junge Menschen hören, dass Testbefunde der Labore bei den Ämtern noch per Fax eingehen, können sie das kaum glauben.“ Andererseits seien die Gesundheitsstrukturen der Stadt insgesamt gut vorbereitet gewesen. Corona-Testcenter und Kontakt-Nachverfolgungsteams seien schnell einsatzfähig gewesen. „Wir sehen in der Pandemie, was ein leistungsfähiger und gut besetzter öffentlicher Gesundheitsdienst wert ist“, sagte Matz. Die Zukunftskommission 'Gesundheitsstadt Berlin 2030', habe zudem Impulse gegeben, das enorme Zukunftspotenzial Berlins auf dem Weg zum internationalen Spitzenstandort noch besser zu nutzen.

„Die Klimakrise hat gravierende Auswirkungen auf Millionen Menschen“ 

Neben den Projektbeteiligten waren in der Berliner Repräsentanz der Robert Bosch Stiftung auch andere Organisationen geladen, um ihre Perspektiven auf das Gesundheitssystem in die Diskussion einzubringen. „Gesundheit ist nicht nur abhängig von der Qualität der medizinischen Versorgung“, sagte Sylvia Hartmann, Ärztin und stellvertretende Vorsitzende der Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG). „Auch soziale und Umwelt-Faktoren beeinflussen die Gesundheit der Bevölkerung und jedes Einzelnen.“ Die menschengemachte Klimakrise habe schon heute gravierende Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit von Millionen Menschen weltweit. Die Umstellung von Wirtschaft und Gesellschaft auf eine neutrale Treibhausgasbilanz sei daher eine große Chance für die Prävention von Krankheiten. „Auch in Zukunft muss die Gesundheit des Menschen im Mittelpunkt stehen – aber in Einklang mit der Natur“, sagte Hartmann.

Die Dringlichkeit von Veränderungen im deutschen Gesundheitssystem machte der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt. „Noch in diesem Jahrzehnt, in den nächsten fünf bis sieben Jahren, gehen etwa 20 Prozent unserer Ärztinnen und Ärzte in den Ruhestand. Das ist eine Größenordnung, die wir mit dem zu erwartenden Nachwuchs auf keinen Fall ersetzen können.“ Die medizinische Versorgung in Deutschland sei zwar im internationalen Vergleich vorzeigbar, müsse aber deutlich effizienter organisiert werden. Die Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Gesundheitsberufen müsse reformiert, die Grenzen zwischen den Sektoren – zwischen stationärer und ambulanter Behandlung – müssten überwunden werden. Der Prävention werde in Zukunft ein höherer Stellenwert zukommen. „Wir müssen viel ändern, auch an unserem Lebensstil. Aber ich glaube, dass die Bevölkerung – auch durch Corona – dazu bereit ist, sich auf Neues einzulassen.“